Die Rufe sind laut. Deutschland muss sich entschulden, um die Belastung für künftige Generationen nicht weiter zu erhöhen! Der Staat soll endlich sparen! Die Verschwendung von Steuergeldern muss ein Ende haben! Doch geht das so einfach? Und was könnten die Folgen sein?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir ein wenig die Geldtheorie bemühen.

Geldschöpfung (Wikipedia):

„Die Zentralbank kann Zentralbankgeld schaffen, indem sie Kredite an Geschäftsbanken vergibt oder Wertpapiere oder andere Aktiva an den Börsen erwirbt und im Gegenzug Guthaben gewährt. … Das von der Zentralbank geschaffene Geld setzt sich aus den umlaufenden Banknoten und Münzen sowie den Sichtguthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank zusammen. …“

Vereinfacht kann man das so besser verdeutlichen:

Wird einem mittellosen Bürger von einer Bank ein Darlehen i.H. von 10.000 EUR gewährt, so steht auf der Aktivseite (Mittelverwendung) seiner Bilanz ein Guthaben 10.000 EUR und auf der Passivseite (Mittelherkunft) ein Kredit von 10.000 EUR. Die Bilanzsumme erhöht sich somit von zuvor 0,- EUR auf nunmehr 10.000 EUR. Tilgt der Bürger den Kredit in Höhe von 4.000 EUR, verkürzt sich die Bilanz auf nun 6.000 EUR. Von 10.000 EUR, die zuvor durch einen Kredit geschaffen wurden, wurde also durch die Tilgung 4.000 EUR vernichtet.
Wir fassen zusammen. Durch einen Kredit wird Geld geschaffen. Durch eine Kredittilgung wird Geld vernichtet. Das kennt jeder Kreditnehmer, der bei seiner Hausfinanzierung schon einmal eine Sondertilgung geleistet hat. Dieses Geld steht danach nicht mehr für Konsumzwecke zur Verfügung. Es ist weg.

Was ist Geld?

Das, was viele für Geld halten, ist nicht immer Geld. Wie wir im ersten Absatz erfahren haben, setzt sich das geschaffene Geld aus Banknoten, Münzen und Sichtguthaben (Giroguthaben oder Tagesgelder) zusammen.

Auch hier bemühen wir Wikipedia:

„Unter Geldmenge versteht man den gesamten Geldbestand einer Volkswirtschaft, der sich in Händen der Nichtbanken befindet. Die Geldmenge kann durch Geldschöpfung erhöht und durch Geldvernichtung gesenkt werden. … Zentralbanken messen die Geldmenge durch Geldmengenaggregate, die durch »M« (für englisch money) und eine Ziffer bezeichnet werden. Dabei ist das Geldmengenaggregat M1 eine Teilmenge von M2 und M2 eine Teilmenge von M3.“

Definitionen der Europäischen Zentralbank:

    ⁃    M1: Bargeldumlauf plus Sichteinlagen der Nichtbanken;
    ⁃    M2: M1 plus Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu zwei Jahren und Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist bis zu drei Monaten;
    ⁃    M3: M2 plus Anteile an Geldmarktfonds, Repoverbindlichkeiten, Geldmarktpapieren und Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren.

Was heißt das?

Nach dieser Definition sind z.B. Immobilien, Grundbesitz, Aktien, Gold (also Sachwerte) kein Geld, denn für diese Dinge muss man Geld ausgeben, um es zu kaufen und sie verkaufen, um wieder Geld zu erhalten.

Auch Anleihen sind kein Geld. Sie sind lediglich „normierte Schuldscheine“ – also ein Anspruch auf Geld.

Wenn man es ganz eng betrachtet, ist sogar Spareinlagen bei Banken kein Geld. Auch sie sind nur eine Urkunde mit einem Anspruch auf Geld. Bei Geldwerten muss es immer ein Guthaben-/ Schuldenpaar geben.

Das zeigt uns:

Einen Kredit kann nur mit Geld getilgt werden. Nicht jedoch mit Spareinlagen, Anleihen und Sachwerten. Diese müssen erst durch Kündigung bzw. Verkauf oder Rückzahlung durch den Schuldner zu Geld gemacht werden.

Nun zur Bundesrepublik und ihren Schulden

Der Schuldenstand der Bundesrepublik beträgt aktuell etwa 2.139.000.000.000 EUR. Kurz 2.139 Mrd. EUR. Dazu kommen noch die Pensionsverpflichtungen, die jedoch in der öffentlichen Statistik nicht auftauchen. Diese sollen nun getilgt werden. Dafür stehen – wie gerade beschrieben – die Geldmenge M1 und (good will) M2 zur Verfügung. Laut „Trading Economics“ sind das derzeit in Deutschland ca. 1.853 Mrd. EUR (M1) bzw. 2.713 Mrd. EUR (M2).

Was sagt uns das?

Die Geldmenge M1 in Deutschland reicht nicht aus, um nur annähernd die Staatsschulden zu tilgen. Wenn wir großzügig sind und zusätzlich die Geldmenge M2 ansetzen, dann würde das bedeuten, dass, wenn wir nur die Schulden von Bund, Länder und Gemeinden mit einem Schlag tilgen, über Nacht 80% des Geldes in Deutschland vernichtet wäre. Einfach so! Weg!

Mit welchem Geld sollen dann noch die Schulden der Unternehmen und Privathaushalte getilgt werden?

Was bleibt also übrig, wenn alle Schulden getilgt sind?

Abgesehen davon, dass ich der festen Überzeugung bin, dass das nicht geht… Chaos. Blankes Chaos.

Jede Kredittilgung ohne Kreditneuaufnahme reduziert die umlaufende Geldmenge und würde zu deflationären Tendenzen führen. Wo kein Geld ist, kann weder konsumiert noch investiert werden. Das wirtschaftliche Leben – so wie wir es kennen - würde zusammenbrechen.

Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitgeber überweist Ihnen 3.000 EUR Gehalt auf Ihr Konto, welches mit 2.000 EUR im Dispo ist. Was passiert? Klar. 2.000 EUR von 3.000 EUR werden vernichtet. Sie sind weg. Der Arbeitgeber hat sie nicht und Sie auch nicht. Wenn Sie nun (So wie es vom Staat gefordert wird) Ihren Kredit tilgen wollen, ohne einen neuen Kredit aufzunehmen, dann müssen Sie in den nächsten 4 Wochen mit nur 1.000 EUR auskommen. In dieser Situation überlegen Sie dreimal, was Sie sich kaufen und wie teuer es sein darf. Das nennt man Ausgangsbasis für eine stark deflationäre Entwicklung. Warten, bis es billiger wird.

Wenn Wirtschaft und Handel nicht komplett zum Stillstand kommen sollen, muss also mindesten so viel Kredit neu aufgenommen werden, dass die Ansprüche der Gläubiger an Zins- und Tilgungsleistung befriedigt werden können. Das erfordert permanentes Wachstum.

Das für die Wirtschaft – und damit auch zur Erfüllung der Staatsaufgaben – erforderliche Geld kann durch Tilgung jedenfalls nicht beschafft werden.
Politiker wollen uns glauben machen, dass durch Ausgabenbeschränkung statt Investition, durch Geld anlegen statt für Konsum ausgeben, durch noch mehr unbezahlte Mehrarbeit (sprich Lohnkürzungen) zusätzliches Geld geschaffen werden könnte. Das ist falsch!

Aber der Staat kann ja sorgsamer mit den Steuergeldern umgehen und dadurch sparen!?

Der Staat ist einer der größten Auftraggeber und Konsumenten. Ganze Industriezweige sind von ihm anhängig. So wie sich jede Einsparung letztendlich irgendwo negativ auf einem Gehaltskonto auswirken wird, so füllt auch jede noch so absurde Verschwendung irgendeine Geldbörse. Auch wenn es nicht immer die richtige ist. Ich möchte hier nicht darüber streiten, welche Investitionen sinnvoll oder nur absurd oder verschwenderisch sind.

Was passiert, wenn auch der Staat anfängt zu sparen, sehen und spüren wir bereits in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Der Staat hat Pflichtaufgaben (Daseinsvorsorge) wie soziale Sicherung, Bildung, Kultur, die medizinische und auch die Wasser- und Energieversorgung.

Im Grundgesetz steht Artikel 14, Abs. 2 steht „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Wie soll ich es dann verstehen, dass Bund, Länder und Kommunen immer weiter Teile ihres Eigentums an private Investoren verkaufen? Heißt das, dass Privatinvestoren eher im Sinne und zum Wohle der Allgemeinheit handeln und wirtschaften? Oder soll es etwa bedeuten, dass sich der Staat einfach nur aus der (seiner) Verantwortung stehlen möchte?

Dresden hat es vor 10 Jahren vorgemacht und durch den Verkauf ihrer kommunalen Wohnungen für 981 Mio. EUR (davon 65% vom Investor kreditfinanziert) an den amerikanischen Immobilienfonds Fortress seine offenen Schulden von 740 Mio. EUR komplett abgebaut. Ein Fünftel der Dresdener Bevölkerung (ca. 100.000 Mieter) waren betroffen. Vorbildlich! Hieß es von vielen Seiten.

Heute – 10 Jahre später – ist man ernüchtert. Zwar wurden die Verträge vom Käufer weitestgehend eingehalten. Doch Sanierungsstau, Rückbau und Mietpreisanhebungen haben ihre Wirkung entfaltet. Der Mietmarkt ist angespannt. Ohne eigenen Wohnungsbestand muss die Stadt nun immer als Bittsteller auftreten, um ihren sozialen Verpflichtungen zur angemessenen Wohnraumversorgung nachzukommen. Die meisten vertraglichen Verpflichtungen laufen dieses Jahr aus. Es wird spannend auf dem Dresdner Immobilienmarkt.

Die weitere Suche nach Lösungen für die Finanzkrise

Was passiert, wenn die künstlich erzeugte Zinsblase platzen sollte? Die Meinungen dazu gehen stark auseinander. Einige sehen hier durchaus die Möglichkeit einer Umverteilung der Vermögen – sogar von Oben nach Unten.
Im meinem letzten Beitrag schrieb ich, dass die ersten Notenbanken neben Staatsanleihen auch Unternehmensanleihen und gar Aktien kaufen. Über das „Warum“ streiten sich die Geister.

Vielleicht ist der Artikel 14, Absatz 3 (gleich nach „Eigentum verpflichtet …“ – Absatz 2) im Grundgesetz ein Lösungsansatz? Die wenigsten Bürger kennen diesen Passus.

Artikel 14 Grundgesetz Absatz 3

„Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.“

Doch was heißt Enteignung hier konkret? Geldwerte? Das haben wir schon durch die Negativzinsen. Sachwerte? Und wer ist die Allgemeinheit und wer die Beteiligten?

Aber das klingt doch nun gar zu sehr nach Sozialismus. Oder?
Wie sozial darf und muss Marktwirtschaft sein?

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"